Katharina Hoffmann

Adrian Praschl-Bichler

Andreas Schretthauser

Fadime Gunsam

Anna Höfling

Ilse Haidl

Ilse Haidl

Temporarily Censored Home, Foam Talent 2021

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LensCulture, Inc. Photographs, Temporarily Censored Home, Foam Talent 2021, 2021, Foto Credits: Foam 

Katharina Hoffmann

Ich sitze auf meinem Stuhl in meinem Arbeitszimmer. Vor einem halben Jahr war es noch ein WG-Zimmer. Andere Funktion des Zimmers, aber derselbe Bildschirm auf den ich seit Jahren starre. Es entsteht eine Monotonie aus Festsitzen und Starren. Während die FOAM-Webseite lädt, denke ich an Online-Ausstellungen in Zeiten einer Pandemie. Das kann nur schlecht ausgehen. Die Webseite öffnet sich und sie erscheint als gelbe Fläche. Es läuft ein Countdown ab. Ich drücke auf Wiederholen, um so schnell wie möglich auf den Inhalt zuzugreifen. Ich muss trotzdem 11 Sekunden warten. Ich werde unruhig, während Farben und Bilder auf meine Netzhaut prallen. Noch 5 Sekunden. Noch 4 – oh dieses Bild gefällt mir! 3, 2, 1 – ich bin drinnen! Es eröffnet sich ein Raum. Ich maximiere den Browser, um Ablenkungen zu minimieren. Die Pfeiltasten sind meine Orientierung. Ich wechsle die Räume, höre mich durch und sehe mir die Bilder an. Jede*r Photograph*in ist anders repräsentiert – meine Monotonie aus Festsitzen und Starren vergesse ich durch meine Neugier. Da ertönt eine Stimme, da bewegt sich etwas und immer wieder lerne ich ein neues Gesicht kennen. Das Durchklicken durch die Seiten erinnert mich an das Wechseln von Ausstellungsräumen. Meine Konzentration schwindet abrupt mit einer Nachricht auf meinem Handy. Versunken in die Tiefen der FOAM-Ausstellung fühle ich mich anders als zuvor, obwohl ich auf dem Stuhl sitze und auf meinen Bildschirm starre. Ich habe gerade eine Erfahrung gemacht.

Adrian Praschl-Bichler

Etwas müde von den letzten Nächten – ein Nachbar, der gerade sein Badezimmer umbaut und ein Student, der meist nicht vor 3 Uhr ins Bett kommt, das verträgt sich nicht – setze ich mich an meinen Schreibtisch. Zum ersten Mal seit geraumer Zeit arbeite ich nicht mit Jogginghose auf meiner Couch, sondern trage “richtige” Kleidung und sitze aufrecht. Ich habe vor, mir die Online-Ausstellung FOAM Talent 2020 anzuschauen. Als ich die Seite öffne, erscheint ein Countdown – aber halt, ich muss mir noch etwas zu trinken holen – los geht es. Zunächst bin ich etwas überfordert, ich klicke auf Bilder, kann nach oben, unten und rechts scrollen oder Texte öffnen. Nach mehreren Minuten erst verstehe ich, wo ein Werk aufhört und das Nächste anfängt und habe nun ein Gefühl dafür, wie groß die Ausstellung ist. Jetzt kann der Genuss für mich beginnen. Das Werk The Y von Alba Zari, das sich an ziemlich prominenter Stelle gleich über dem Ausgangspunkt der Ausstellung befindet, fängt meine Aufmerksamkeit zu Beginn. Es stimmt mich traurig, dass der Mann, den die Künstlerin einst für ihren Vater hielt, auf ihren Bildern übermalt – beziehungsweise nur mehr als ein Schatten erscheint. The Splitting of the Chrysalis & the Slow Unfolding of the Wings von Yorgos Yatromanolakis wird zu meinem persönlichen Highlight und trifft meine Vorliebe für das Bizarre, Magische und Mystische. Es unterbricht mein oberflächliches, instagram-artiges Betrachten von Bildern und Kunstwerken. Die audiovisuelle Installation zieht mich in ihren Bann. Die Fotografien gehen ineinander über und vermitteln mir ein Gefühl von Einsamkeit und Kälte, jedoch auf eine – so paradox das klingen mag – nicht unangenehme Art und Weise. Erst als ich durch mein gekipptes Fenster höre, wie mein Nachbar wieder anfängt Fliesen zu schneiden, werde ich aus dem Werk herausgerissen. 

Andreas Schretthauser

Sonntagabend.
Ich bin für ein paar Tage in meine Heimatstadt Innsbruck gekommen, um neue berufliche Projekte zu besprechen. Diese Zuversicht und die schönen Erinnerungen an den morgendlichen, eisigen Spaziergang in den bekannten Wäldern sollen Nachrichten aus aller Welt für mich verstummen lassen.
Tatort-Sonntag.
Den Klassiker lasse ich an diesem Abend aus. Ich möchte mir eine Online-Ausstellung ansehen. Ich ziehe mich in mein Zimmer zurück, setze mich an den Laptop und öffne zum ersten Mal die FOAM Homepage.
foam talent.
Erste Fotografien sind schon zu sehen. Ich verschaffe mir einen schnellen Überblick. Der erste Eindruck soll entscheiden, welchen Raum ich betrete. Das ist ein großer Unterschied zur realen Ausstellung – ich bestimme konkreter, was ich zuerst sehen möchte.
Douglas Mandry – Monuments. 
Die Berg-Lithografien des Schweizer Künstlers ziehen mich in ihren Bann. Ich fühle mich gedanklich auf einen Gipfel versetzt, den Duft der Natur in der Nase, den Blick in die Weite gerichtet.
Freiheit.

Fadime Gunsam

Ich bin nicht viel unterwegs in Zeiten des weltweiten Hausarrests, den uns die Pandemie beschert; dafür habe ich es tatsächlich geschafft, meine zwei großen Leidenschaften in Einklang zu bringen – Kunst und Kaffee: Eine neue Dimension der Kunstbetrachtung. Mein alter italienischer Espressokocher pfeift und Kaffeeduft erfüllt den Raum. Ohne Zucker, Kaffee pur. Mit der Tasse in der Hand bin ich auch schon online.

Ich besuche die FOAM TALENT – Online-Ausstellung. Schon auf der Startseite schwebt mir eine Reihe in Tschadors gehüllter Mädchen entgegen. Sie befinden sich in einem dunklen Raum, dessen einzige Lichtquelle die brennenden Kerzen sind, die sie in ihren Händen halten. In gelben Lettern ist „foam – TALENT – young artists shaping the future of photography“ zu lesen. Das macht mich neugierig. Ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee und klicke mich in den virtuellen Ausstellungsraum hinein. Ich kann mich mit Pfeilen in zwei Richtungen (oben/unten) bewegen, um zwischen den Front-Pages von 19 internationalen Künstler*innen zu wechseln. Ich bin auf der Suche nach den Mädchen und finde sie in Rahima Gambos Projekt “Tatsuniya” schließlich wieder. Weitere Bilder zeigen die Mädchen in flüchtigen Augenblicken bei spielerischen Interaktionen. Die Photos stammen von einem Performance-Workshop, den die Künstlerin 2017 mit den Schülerinnen einer Schule im Nordosten Nigerias durchgeführt hat. Das war kurz nach Wiedereröffnung der Schule, nach der Entführung der Chibok-Mädchen. Dieselbe Schule, die 2013 von Terroristen der Boko Haram angegriffen wurde. Mein Kaffee schmeckt plötzlich sehr bitter. Ich muss kurz offline gehen.

Anna Höfling

Und schon wieder eine Online-Ausstellung... Eigentlich habe ich mich seit dem ersten Lockdown von ihnen ferngehalten. Die „neuen Formate“ waren leider selten eine aufregende Alternative und schon gar keine Abwechslung zu den vielen Stunden Arbeit vor dem Laptop, deretwegen mein rechtes Augenlid bereits Zuckungen entwickelt.
Trotzdem öffne ich den Link; zuerst werden mir die Arbeiten der Serie Temporarily Censored Home von Guanyu Xu collageartig präsentiert, deren Motive selbst Collagen im physischen Raum sind. Genauer: im domestic space – momentan “the place to be”. Sobald ich herausgefunden habe, wie die verzweigte Website funktioniert, zoome ich an die Fotografien heran, um alle Details der Bilderflut zu erkennen. Nahezu obsessiv schichten sich Erinnerungen und Referenzen auf Xu’s Sexualität in dem Wohnsetting aus Möbeln und Dekoration wie Hinweise auf ein vermeintliches Verbrechen an einem investigation board. Ein Text, Links und eine Videoarbeit ergänzen die Präsentation des chinesischen Künstlers. Bei Werken anderer Künstler*innen sind auch Musik, gesprochener Text oder Interview-Aufnahmen wie Collagen angeordnet: alles Formate, die auch online funktionieren. Doch die hebe ich mir für morgen auf – als hätte ich eine Jahreskarte und könnte jeden Saal einzeln und in aller Ruhe besichtigen. Und so vergesse ich zumindest für einen Moment mein zuckendes Auge und bemerke nicht, dass das Bett meines Mitbewohners bereits zum zweiten Mal knarrt, seit seine Freundin auf Besuch ist.

Sarah Kobelhirt

Nach einem Vormittag voller Recherchen für mein aktuelles Seminar brauche ich eine Pause. Mit einer heißen Tasse Tee und gehüllt in eine flauschige, graue Decke gegen die Kälte in den Gliedern. Die Nebenwirkung davon,den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen. Ich brauche Abwechslung zu meinem Thema, etwas völlig Gegensätzliches. Ich sehe mir eine Online Ausstellung an. Vor einem Jahr wäre dies noch nahezu undenkbar gewesen. Doch die Zeiten ändern sich und das Online Angebot wird immer besser. Besonders junge Künstler*innen versuchen durch diese Art von Präsentation in das Rampenlicht zu dringen. In Anbetracht der aktuellen Krise vermutlich mehr denn je. Die Ausstellung von foam zeigt eben dies: verschiedenste Persönlichkeiten, die ihre fotografischen Werke online präsentieren. Mir unbekannte Namen und ihre Geschichten, die einladen, sich näher mit ihnen auseinanderzusetzen. Eine willkommene Flucht aus dem Alltag und besonders für mich eine dringend notwendige Abwechslung. Viele der Künstler*innen sind in meinem Alter und ich stelle mir vor, wie sie von ihren eigenen Schreibtischen aus an ihren Werken arbeiten. Ich schweife ab zu Träumereien über ihre Lebensumstände und wie sie wohl zu diesem Punkt gekommen sind…

Ilse Haidl

Dank der Gruppe der Resonant*innen bereichert sich mein momentan abgeschiedenes Leben, daher habe ich interessiert die online Ausstellung Foam Talent 2020 durchgesehen. Das Format war für mich zuerst ungewöhnlich und verwirrend (wahrscheinlich aufgrund meines Alters), aber man kann sich damit anfreunden.
Der Beitrag Red Lotus von Kamonlak Sukchai hat mich sofort begeistert, vermutlich weil ich zurzeit mit einem bestimmten Mythos beschäftigt bin. Ich schreibe gerade an einer Arbeit über das Gemälde Phaedra von Alexandre Cabanel und ein wesentlicher Teil der Ikonografie ist der Mythos der verleumderischen Verführerin. Der Künstler hat in diesem Gemälde bestimmte Verse aus dem Text von Euripides dargestellt, die Figur der Phaedra aber im Verständnis des 19. Jahrhunderts als femme fatale gemalt. Zur Zeit des Euripides war es ein Mythos über die Prüfung der Loyalität eines jungen Mannes gegenüber seinem Herrn. Die älteste, auf uns gekommene Überlieferung dieser Geschichte ist das ägyptische Zweibrüdermärchen aus dem Papyrus d’Orbiney aus der Zeit um 1400 vor Christus; hier geht es um den Unterschied von Gut und Böse.
In ihrem Werk Red Lotus hat die Künstlerin Kamonlak Sukchai einen alten thailändischen Mythos in Bilder des 21. Jahrhunderts übersetzt. Es ist die Sage von der weißen Lotusblüte, die durch die Affäre mit einem Mann ihre Reinheit verliert und nach ihrer Opferung als rote Lotusblüte wiedergeboren wird. Die Künstlerin hat die wesentlichen Punkte der Erzählung in 14 Fotografien festgehalten.
In beiden Geschichten symbolisiert Sexualität die Schwelle zum Verbotenen und es ist  die Frau, die zum Übertritt verführt. Kamonlak Sukchai erzählt die Geschichte in phantasievollen bunten Bildern einer weiblichen Künstlerin ihrer Zeit, während das Gemälde von Alexandre Cabanel den männlichen Blick des 19. Jahrhunderts auf den Mythos zeigt. Gemeinsam ist beiden Kunstwerken, dass sie die Wandelbarkeit von Mythen aufzeigen.

Katharina Hoffmann

Ich sitze auf meinem Stuhl in meinem Arbeitszimmer. Vor einem halben Jahr war es noch ein WG-Zimmer. Andere Funktion des Zimmers, aber derselbe Bildschirm auf den ich seit Jahren starre. Es entsteht eine Monotonie aus Festsitzen und Starren. Während die FOAM-Webseite lädt, denke ich an Online-Ausstellungen in Zeiten einer Pandemie. Das kann nur schlecht ausgehen. Die Webseite öffnet sich und sie erscheint als gelbe Fläche. Es läuft ein Countdown ab. Ich drücke auf Wiederholen, um so schnell wie möglich auf den Inhalt zuzugreifen. Ich muss trotzdem 11 Sekunden warten. Ich werde unruhig, während Farben und Bilder auf meine Netzhaut prallen. Noch 5 Sekunden. Noch 4 – oh dieses Bild gefällt mir! 3, 2, 1 – ich bin drinnen! Es eröffnet sich ein Raum. Ich maximiere den Browser, um Ablenkungen zu minimieren. Die Pfeiltasten sind meine Orientierung. Ich wechsle die Räume, höre mich durch und sehe mir die Bilder an. Jede*r Photograph*in ist anders repräsentiert – meine Monotonie aus Festsitzen und Starren vergesse ich durch meine Neugier. Da ertönt eine Stimme, da bewegt sich etwas und immer wieder lerne ich ein neues Gesicht kennen. Das Durchklicken durch die Seiten erinnert mich an das Wechseln von Ausstellungsräumen. Meine Konzentration schwindet abrupt mit einer Nachricht auf meinem Handy. Versunken in die Tiefen der FOAM-Ausstellung fühle ich mich anders als zuvor, obwohl ich auf dem Stuhl sitze und auf meinen Bildschirm starre. Ich habe gerade eine Erfahrung gemacht.

Adrian Praschl-Bichler

Etwas müde von den letzten Nächten – ein Nachbar, der gerade sein Badezimmer umbaut und ein Student, der meist nicht vor 3 Uhr ins Bett kommt, das verträgt sich nicht – setze ich mich an meinen Schreibtisch. Zum ersten Mal seit geraumer Zeit arbeite ich nicht mit Jogginghose auf meiner Couch, sondern trage “richtige” Kleidung und sitze aufrecht. Ich habe vor, mir die Online-Ausstellung FOAM Talent 2020 anzuschauen. Als ich die Seite öffne, erscheint ein Countdown – aber halt, ich muss mir noch etwas zu trinken holen – los geht es. Zunächst bin ich etwas überfordert, ich klicke auf Bilder, kann nach oben, unten und rechts scrollen oder Texte öffnen. Nach mehreren Minuten erst verstehe ich, wo ein Werk aufhört und das Nächste anfängt und habe nun ein Gefühl dafür, wie groß die Ausstellung ist. Jetzt kann der Genuss für mich beginnen. Das Werk The Y von Alba Zari, das sich an ziemlich prominenter Stelle gleich über dem Ausgangspunkt der Ausstellung befindet, fängt meine Aufmerksamkeit zu Beginn. Es stimmt mich traurig, dass der Mann, den die Künstlerin einst für ihren Vater hielt, auf ihren Bildern übermalt – beziehungsweise nur mehr als ein Schatten erscheint. The Splitting of the Chrysalis & the Slow Unfolding of the Wings von Yorgos Yatromanolakis wird zu meinem persönlichen Highlight und trifft meine Vorliebe für das Bizarre, Magische und Mystische. Es unterbricht mein oberflächliches, instagram-artiges Betrachten von Bildern und Kunstwerken. Die audiovisuelle Installation zieht mich in ihren Bann. Die Fotografien gehen ineinander über und vermitteln mir ein Gefühl von Einsamkeit und Kälte, jedoch auf eine – so paradox das klingen mag – nicht unangenehme Art und Weise. Erst als ich durch mein gekipptes Fenster höre, wie mein Nachbar wieder anfängt Fliesen zu schneiden, werde ich aus dem Werk herausgerissen. 

Andreas Schretthauser

Sonntagabend.
Ich bin für ein paar Tage in meine Heimatstadt Innsbruck gekommen, um neue berufliche Projekte zu besprechen. Diese Zuversicht und die schönen Erinnerungen an den morgendlichen, eisigen Spaziergang in den bekannten Wäldern sollen Nachrichten aus aller Welt für mich verstummen lassen.
Tatort-Sonntag.
Den Klassiker lasse ich an diesem Abend aus. Ich möchte mir eine Online-Ausstellung ansehen. Ich ziehe mich in mein Zimmer zurück, setze mich an den Laptop und öffne zum ersten Mal die FOAM Homepage.
foam talent.
Erste Fotografien sind schon zu sehen. Ich verschaffe mir einen schnellen Überblick. Der erste Eindruck soll entscheiden, welchen Raum ich betrete. Das ist ein großer Unterschied zur realen Ausstellung – ich bestimme konkreter, was ich zuerst sehen möchte.
Douglas Mandry – Monuments. 
Die Berg-Lithografien des Schweizer Künstlers ziehen mich in ihren Bann. Ich fühle mich gedanklich auf einen Gipfel versetzt, den Duft der Natur in der Nase, den Blick in die Weite gerichtet.
Freiheit.

Fadime Gunsam

Ich bin nicht viel unterwegs in Zeiten des weltweiten Hausarrests, den uns die Pandemie beschert; dafür habe ich es tatsächlich geschafft, meine zwei großen Leidenschaften in Einklang zu bringen – Kunst und Kaffee: Eine neue Dimension der Kunstbetrachtung. Mein alter italienischer Espressokocher pfeift und Kaffeeduft erfüllt den Raum. Ohne Zucker, Kaffee pur. Mit der Tasse in der Hand bin ich auch schon online.

Ich besuche die FOAM TALENT – Online-Ausstellung. Schon auf der Startseite schwebt mir eine Reihe in Tschadors gehüllter Mädchen entgegen. Sie befinden sich in einem dunklen Raum, dessen einzige Lichtquelle die brennenden Kerzen sind, die sie in ihren Händen halten. In gelben Lettern ist „foam – TALENT – young artists shaping the future of photography“ zu lesen. Das macht mich neugierig. Ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee und klicke mich in den virtuellen Ausstellungsraum hinein. Ich kann mich mit Pfeilen in zwei Richtungen (oben/unten) bewegen, um zwischen den Front-Pages von 19 internationalen Künstler*innen zu wechseln. Ich bin auf der Suche nach den Mädchen und finde sie in Rahima Gambos Projekt “Tatsuniya” schließlich wieder. Weitere Bilder zeigen die Mädchen in flüchtigen Augenblicken bei spielerischen Interaktionen. Die Photos stammen von einem Performance-Workshop, den die Künstlerin 2017 mit den Schülerinnen einer Schule im Nordosten Nigerias durchgeführt hat. Das war kurz nach Wiedereröffnung der Schule, nach der Entführung der Chibok-Mädchen. Dieselbe Schule, die 2013 von Terroristen der Boko Haram angegriffen wurde. Mein Kaffee schmeckt plötzlich sehr bitter. Ich muss kurz offline gehen.

Anna Höfling

Und schon wieder eine Online-Ausstellung... Eigentlich habe ich mich seit dem ersten Lockdown von ihnen ferngehalten. Die „neuen Formate“ waren leider selten eine aufregende Alternative und schon gar keine Abwechslung zu den vielen Stunden Arbeit vor dem Laptop, deretwegen mein rechtes Augenlid bereits Zuckungen entwickelt.
Trotzdem öffne ich den Link; zuerst werden mir die Arbeiten der Serie Temporarily Censored Home von Guanyu Xu collageartig präsentiert, deren Motive selbst Collagen im physischen Raum sind. Genauer: im domestic space – momentan “the place to be”. Sobald ich herausgefunden habe, wie die verzweigte Website funktioniert, zoome ich an die Fotografien heran, um alle Details der Bilderflut zu erkennen. Nahezu obsessiv schichten sich Erinnerungen und Referenzen auf Xu’s Sexualität in dem Wohnsetting aus Möbeln und Dekoration wie Hinweise auf ein vermeintliches Verbrechen an einem investigation board. Ein Text, Links und eine Videoarbeit ergänzen die Präsentation des chinesischen Künstlers. Bei Werken anderer Künstler*innen sind auch Musik, gesprochener Text oder Interview-Aufnahmen wie Collagen angeordnet: alles Formate, die auch online funktionieren. Doch die hebe ich mir für morgen auf – als hätte ich eine Jahreskarte und könnte jeden Saal einzeln und in aller Ruhe besichtigen. Und so vergesse ich zumindest für einen Moment mein zuckendes Auge und bemerke nicht, dass das Bett meines Mitbewohners bereits zum zweiten Mal knarrt, seit seine Freundin auf Besuch ist.

Sarah Kobelhirt

Nach einem Vormittag voller Recherchen für mein aktuelles Seminar brauche ich eine Pause. Mit einer heißen Tasse Tee und gehüllt in eine flauschige, graue Decke gegen die Kälte in den Gliedern. Die Nebenwirkung davon,den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen. Ich brauche Abwechslung zu meinem Thema, etwas völlig Gegensätzliches. Ich sehe mir eine Online Ausstellung an. Vor einem Jahr wäre dies noch nahezu undenkbar gewesen. Doch die Zeiten ändern sich und das Online Angebot wird immer besser. Besonders junge Künstler*innen versuchen durch diese Art von Präsentation in das Rampenlicht zu dringen. In Anbetracht der aktuellen Krise vermutlich mehr denn je. Die Ausstellung von foam zeigt eben dies: verschiedenste Persönlichkeiten, die ihre fotografischen Werke online präsentieren. Mir unbekannte Namen und ihre Geschichten, die einladen, sich näher mit ihnen auseinanderzusetzen. Eine willkommene Flucht aus dem Alltag und besonders für mich eine dringend notwendige Abwechslung. Viele der Künstler*innen sind in meinem Alter und ich stelle mir vor, wie sie von ihren eigenen Schreibtischen aus an ihren Werken arbeiten. Ich schweife ab zu Träumereien über ihre Lebensumstände und wie sie wohl zu diesem Punkt gekommen sind…

Ilse Haidl

Dank der Gruppe der Resonant*innen bereichert sich mein momentan abgeschiedenes Leben, daher habe ich interessiert die online Ausstellung Foam Talent 2020 durchgesehen. Das Format war für mich zuerst ungewöhnlich und verwirrend (wahrscheinlich aufgrund meines Alters), aber man kann sich damit anfreunden.
Der Beitrag Red Lotus von Kamonlak Sukchai hat mich sofort begeistert, vermutlich weil ich zurzeit mit einem bestimmten Mythos beschäftigt bin. Ich schreibe gerade an einer Arbeit über das Gemälde Phaedra von Alexandre Cabanel und ein wesentlicher Teil der Ikonografie ist der Mythos der verleumderischen Verführerin. Der Künstler hat in diesem Gemälde bestimmte Verse aus dem Text von Euripides dargestellt, die Figur der Phaedra aber im Verständnis des 19. Jahrhunderts als femme fatale gemalt. Zur Zeit des Euripides war es ein Mythos über die Prüfung der Loyalität eines jungen Mannes gegenüber seinem Herrn. Die älteste, auf uns gekommene Überlieferung dieser Geschichte ist das ägyptische Zweibrüdermärchen aus dem Papyrus d’Orbiney aus der Zeit um 1400 vor Christus; hier geht es um den Unterschied von Gut und Böse.
In ihrem Werk Red Lotus hat die Künstlerin Kamonlak Sukchai einen alten thailändischen Mythos in Bilder des 21. Jahrhunderts übersetzt. Es ist die Sage von der weißen Lotusblüte, die durch die Affäre mit einem Mann ihre Reinheit verliert und nach ihrer Opferung als rote Lotusblüte wiedergeboren wird. Die Künstlerin hat die wesentlichen Punkte der Erzählung in 14 Fotografien festgehalten.
In beiden Geschichten symbolisiert Sexualität die Schwelle zum Verbotenen und es ist  die Frau, die zum Übertritt verführt. Kamonlak Sukchai erzählt die Geschichte in phantasievollen bunten Bildern einer weiblichen Künstlerin ihrer Zeit, während das Gemälde von Alexandre Cabanel den männlichen Blick des 19. Jahrhunderts auf den Mythos zeigt. Gemeinsam ist beiden Kunstwerken, dass sie die Wandelbarkeit von Mythen aufzeigen.

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