Anna Höfling

Adrian Praschl-Bichler

Katharina Hoffmann

Jutta Pillen-Konetzka

Fadime Gunsam

Sheila Hicks‘ Garn, Bäume, Fluss

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Sheila Hicks, Garn, Bäume, Fluss, Ausstellungsansicht Sheila Hicks: Garn, Bäume, Fluss, MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien, 2021, Foto Credits: MAK, Katharina Hoffmann, Anna Höfling, Marlene Lahmer, Adrian Praschl-Bichler

Anna Höfling

„Greif das nicht an!“, hört das Kind in mir. Obwohl auf dem Schild ein höfliches Bitte nicht berühren steht. Dabei würde ich so gerne alles antatschen: die wuscheligen Riesenteppiche, die eingewobenen Muscheln, den gigantischen Wasserfall aus schweren Schnüren, die pilzartigen Geschwüre aus Stoffresten an der Wand. In diesen großen Ausstellungshallen fühle ich mich ganz klein und trotzdem sehr wohlig, irgendwie geborgen, bei dem sanften Licht.

Und dann steh ich da. Vor diesem massiven Berg aus – hmmm – Polstern? Von Weitem sehen sie ruppig aus. Wie ein fusseliger Pulli oder der Teppichboden meiner Uroma. Aber als ich näher herantrete, erkenne ich, dass es sehr weiche Fasern sind, die von Netzen zusammengehalten werden. Ich erinnere mich an die feinen, schneeweißen Haare meiner Uroma, die sie stets unter einem Haarnetz trug. 

Wie gerne würde ich jetzt an diesem Berg emporklettern. Aber ich lasse es doch bleiben. Da drüben zwischen Berg und Wasserfall in diesem seltsamen Abenteuerland entdecke ich einen Teppich, der wenige Zentimeter vor der Wand schwebt und sich leicht bewegt, wenn ich an ihm vorbei gehe. In ihn sind Maisspelzen eingewoben. [1] Ich weiß, dass sie sich anfühlen wie Krepppapier, wie Papyrus. Denn bei meiner Uroma Karoline hingen immer Maiskolben zum Trocknen im Hof. Kukuruz nannte sie ihn. Der war für die Viecher. Aber die gab es schon gar nicht mehr, als ich ein Kind war und noch von fliegenden Teppichen träumte. [2]

[1] Meine Oma nennt sie Kukuruzblodln – es sind also Maisblätter.
[2] Als der Text schon fertig ist, telefoniere ich mit meiner Oma. Sie erzählt mir, dass die Kukuruzdoin (Maiskolben) mit einem Messer o’grevlt (abgerieben) wurden. “De Kerndl woan don des Fuada fia de Viecha. Aus de Kukuruzblodln hot ma a Potschn gmocht. Frira homa wirkli nix weggschmissn.”
(“Die Körner waren dann das Futter für die Tiere. Aus den Maisblättern hat man auch Hausschuhe gemacht. Früher haben wir wirklich nichts weggeworfen.”) Ich glaube, Sheila Hicks und meine Oma würden sich gut verstehen.

Adrian Praschl-Bichler

Direkt nach dem Betreten der Ausstellung Garn, Bäume, Fluss von Sheila Hicks im MAK in Wien können die Besucher*innen an der linken Seitenwand die beinahe einzigen Informationen über die Künstlerin und die Ausstellung beziehen. Danach sind fast ausschließlich Kunstwerke mit den entsprechenden Titeln zu sehen – eine neue Erfahrung für mich. Ich kann mich ganz auf die Arbeiten konzentrieren, ohne Schuldgefühle zu bekommen, wenn ich die Begleittexte nicht lese. An der rechten, dem Hauptraum zugewandten Seitenwand, eröffnen sich Tore aus Wolle und Baumwolle. Der marokkanische Gebetsteppich in der Mitte bildet mit den zwei umgebenden Arbeiten ein leicht asymmetrisches Triumphbogenmotiv. Der zentrale Gebetsteppich, der als symbolisches Tor zum Hauptraum fungiert, verweist auch auf seine ursprüngliche Funktion als Teppich, indem er bis auf den Boden des Ausstellungsraums ragt. Die Arbeit darf jedoch selbstverständlich nicht berührt und als Gebetsteppich verwendet werden. Vom schweren, hölzernen Boden der umgebenden Räumlichkeiten gelangen die Besucher*innen in den Hauptraum der Ausstellung. Ich betrete den hellen, von vielen Lichtspots erleuchteten, türkis-grauen Untergrund, der sich in Richtung des größten und hell erleuchteten Werks La Sentinelle de Safran etwas abschüssig anfühlt. Plötzlich werden meine Knie ganz weich, meine Beine fühlen sich dennoch leicht an. Ich schwebe dem riesigen Sitzsack, der sich auf der Rückseite des großen Teppich-Tores befindet, entgegen. Angekommen, machen die Fischernetze, die die pigmentierten Acrylfasern umhüllen, das Werk erträglicher, da sie meine Lust, ins Werk zu springen, nehmen.

Katharina Hoffmann

Als ich den großen Raum des MAK, in dem die Kunstobjekte von Sheila Hicks ausgestellt sind, betrete, vergesse ich jegliches Gefühl für Raum. Hicks‘ Arbeiten sind durch Größe, Farbe und Material von einer ganz besonderen Aura umgeben, die mich sofort in ihren Bann zieht. Immer weiter entferne ich mich vom Eingang der Ausstellung. Durch meine Anwesenheit zwischen den Werken, die eigens für die Räume im MAK geschaffen wurden, fühle ich mich zugehörig. Das bloße Ansehen befriedigt mein Verlangen die Arbeiten anzufassen. La Sentinelle de Safran (2018) hat es mir besonders angetan: Der Berg aus gelben, roten und orangen Farben umgarnt mein Gemüt als taktile Visualisierung. Während ich den Berg aus Garn ansehe, berührt es mich auf wundersame Weise: Das Kunstobjekt kommuniziert mit mir, sodass ich mein Körpergefühl vergesse. Ich trenne mich nur schwer von La Sentinelle und gehe weiter. Hicks’ Talent ist in allen ausgestellten Objekten sichtbar. Immer wieder nähere ich mich und betrachte die Fadenführung. Die Ausführung ist bis zum letzten Knoten vollendet. Der Raum ist weich und diffus beleuchtet und verbreitet ein Gefühl des Wohlgefallens. Paradoxerweise ist trotz der Lichtstimmung jeder einzelne Faden klar erkennbar. Als Betrachterin kann ich entspannt die Kunstwerke auf mich wirken lassen. Noch Stunden nach dem Besuch der Ausstellung fühle ich die weichen Materialien der Kunstwerke an meiner Haut ohne sie berührt zu haben.

Jutta Pillen-Konetzka

In der Pandemie bin ich näher an den Materialien, an harten Steinen, in bröckeliger Gartenerde, unter fliessendem Wasser, an maserigem Holz.

Von Hamburg ist das MAK in Wien leider weit entfernt, trotzdem beamt mich die Videoführung der Kuratorin Bärbel Vischer direkt in die Ausstellung Garn, Bäume, Fluss von Sheila Hicks.

Der knapp zehnminütige digitale Erkundungsgang durch eine teilweise monumentale und großzügig bestückte Raumlandschaft beginnt zentral an einem großen, textilen Stein-Kissen-Hügel. Lange verweile ich dort mit Hilfe der Stopptaste; das Fluffige des Stoffes und die abgestimmte Varianz der gelb-orange-roten Farbtöne wirken beruhigend auf mich.

Die Kuratorin bewegt sich verhalten-performativ von Werkgruppe zu Werkgruppe weiter. Ihre kaum wahrnehmbaren Mikrobewegungen beim Annähern oder Vorbeigehen an den unterschiedlich großen Stoff- und Fadenwerken erregen meine Aufmerksamkeit. Ich versuche, die spezifische Sprache des zu Skulpturen gearbeiteten, textilen Materials an ihrem Körperausdruck abzulesen.

Ein Wasserfall aus verfilzten Strängen bringt mich trotz Laptop-Bildschirm zum Aufschauen. Was könnte ich dort zwischen den Seilen und Fäden, zwischen Naturmaterialien und Menschenhandwerk an universell Erfahrbarem entdecken?

Ich beobachte sich schlangenhaft windende, schwebende Filz-Gewächse und zurückhaltende, kleine Webstücke mit eingeflochtenen Bruchstücken. 

Wenn sich die Kamera von der Mikroperspektive der Fasern aus rückwärts in den Raum zur Monumentalität des Werkes heraus zoomt, entsteht ein Erleben, das mir organisch vorkommt, aber das mir im realen Raum beim Besuch der Ausstellung vermutlich nicht möglich wäre. Ich staune.

Textile Kunst-Installationen wirken manchmal kulissenhaft, erinnern an nomadische Situationen oder sind kulturell stark verknüpft. Hier ist es anders. Die Gesamt-Atmosphäre bleibt für mich offen-universell, geordnet in einzelnen Werken, archaisch; sie wehrt sich selbstbewußt störrisch gegen einen erzählerischen Durchfluss. 

Schließlich möchte ich gerne behaupten, wirklich in der Ausstellung gewesen zu sein, obwohl sie so fern ist. Welche Fasern reisen online? Auch Aladin hatte einen Teppich.

Fadime Gunsam

Im wievielten Lockdown befinden wir uns eigentlich? Ich habe aufgehört zu zählen und nutze meine Zeit viel lieber damit, mir die auf der MAK-Webseite online angebotene Ausstellung Garn, Bäume, Fluss anzusehen. In den Werken der Künstlerin Sheila Hicks sind in vielerlei Hinsicht Gegensätze miteinander verwoben. Gleich zu Beginn der Ausstellung werden weiche Materialien wie Garne, Natur- und Kunstfasern in unzähligen, gebündelten Strängen zu einer ca. 1,5 Meter hohen Skulptur verwoben. Der Werktitel Menhir ist eine aus dem Bretonischen entlehnte Bezeichnung für einen vorgeschichtlich, hochragenden Steinblock und könnte ein möglicher Verweis der Künstlerin auf das dargestellte Objekt sein. In einer weiteren Installation hängen aus knapp 6 Meter Höhe dicke, sich herunter schlingende Stränge von Garnen herab, die an Lianen erinnern.

Die überdimensionalen Arbeiten sind durch das Online-Format nur eingeschränkt wahrnehmbar. Ich wende mich daher den kleineren Webarbeiten zu. Vor allem wecken die Titel der Werke mein Interesse: Copper road, Approaching reality oder MLS in confinement heißen drei davon. Ich zoome nah genug heran und erkenne Naturmaterialien wie Zweige, getrocknete Maisschalen oder Muscheln, die in kunstvoller, handwerklicher Verarbeitung eingewebt wurden. Die entstandenen Fragmente sind wie kleine Teppiche, die in Farbe und Webart sehr unterschiedlich, manchmal bunt gestaltet sind und in einer schlichten Rahmung präsentiert werden. Sie erinnern mich an alte orientalische Teppiche, die bekanntlich in sich den Kosmos abbilden. In Sheila Hicks’ kleinen Teppich-Fragmenten sind nicht nur handwerklich verschiedene Naturmaterialien miteinander verwoben, auch optisch scheinen die bemerkenswerten Titel wie - Captured, Balanced dialogue, Cave of thoughts oder Overboard, in einigen Werken erkennbar zu sein. Beispielsweise scheinen in ihrem Werk Border Patrol die vielen vertikal und zueinander parallel eingewebten, dünnen Zweige einen Verweis auf die im Titel genannten Grenzen zu sein. Ich hätte die Ausstellung gerne noch in Natura gesehen.

Anna Höfling

„Greif das nicht an!“, hört das Kind in mir. Obwohl auf dem Schild ein höfliches Bitte nicht berühren steht. Dabei würde ich so gerne alles antatschen: die wuscheligen Riesenteppiche, die eingewobenen Muscheln, den gigantischen Wasserfall aus schweren Schnüren, die pilzartigen Geschwüre aus Stoffresten an der Wand. In diesen großen Ausstellungshallen fühle ich mich ganz klein und trotzdem sehr wohlig, irgendwie geborgen, bei dem sanften Licht.

Und dann steh ich da. Vor diesem massiven Berg aus – hmmm – Polstern? Von Weitem sehen sie ruppig aus. Wie ein fusseliger Pulli oder der Teppichboden meiner Uroma. Aber als ich näher herantrete, erkenne ich, dass es sehr weiche Fasern sind, die von Netzen zusammengehalten werden. Ich erinnere mich an die feinen, schneeweißen Haare meiner Uroma, die sie stets unter einem Haarnetz trug. 

Wie gerne würde ich jetzt an diesem Berg emporklettern. Aber ich lasse es doch bleiben. Da drüben zwischen Berg und Wasserfall in diesem seltsamen Abenteuerland entdecke ich einen Teppich, der wenige Zentimeter vor der Wand schwebt und sich leicht bewegt, wenn ich an ihm vorbei gehe. In ihn sind Maisspelzen eingewoben. [1] Ich weiß, dass sie sich anfühlen wie Krepppapier, wie Papyrus. Denn bei meiner Uroma Karoline hingen immer Maiskolben zum Trocknen im Hof. Kukuruz nannte sie ihn. Der war für die Viecher. Aber die gab es schon gar nicht mehr, als ich ein Kind war und noch von fliegenden Teppichen träumte. [2]

[1] Meine Oma nennt sie Kukuruzblodln – es sind also Maisblätter.
[2] Als der Text schon fertig ist, telefoniere ich mit meiner Oma. Sie erzählt mir, dass die Kukuruzdoin (Maiskolben) mit einem Messer o’grevlt (abgerieben) wurden. “De Kerndl woan don des Fuada fia de Viecha. Aus de Kukuruzblodln hot ma a Potschn gmocht. Frira homa wirkli nix weggschmissn.”
(“Die Körner waren dann das Futter für die Tiere. Aus den Maisblättern hat man auch Hausschuhe gemacht. Früher haben wir wirklich nichts weggeworfen.”) Ich glaube, Sheila Hicks und meine Oma würden sich gut verstehen.

Adrian Praschl-Bichler

Direkt nach dem Betreten der Ausstellung Garn, Bäume, Fluss von Sheila Hicks im MAK in Wien können die Besucher*innen an der linken Seitenwand die beinahe einzigen Informationen über die Künstlerin und die Ausstellung beziehen. Danach sind fast ausschließlich Kunstwerke mit den entsprechenden Titeln zu sehen – eine neue Erfahrung für mich. Ich kann mich ganz auf die Arbeiten konzentrieren, ohne Schuldgefühle zu bekommen, wenn ich die Begleittexte nicht lese. An der rechten, dem Hauptraum zugewandten Seitenwand, eröffnen sich Tore aus Wolle und Baumwolle. Der marokkanische Gebetsteppich in der Mitte bildet mit den zwei umgebenden Arbeiten ein leicht asymmetrisches Triumphbogenmotiv. Der zentrale Gebetsteppich, der als symbolisches Tor zum Hauptraum fungiert, verweist auch auf seine ursprüngliche Funktion als Teppich, indem er bis auf den Boden des Ausstellungsraums ragt. Die Arbeit darf jedoch selbstverständlich nicht berührt und als Gebetsteppich verwendet werden. Vom schweren, hölzernen Boden der umgebenden Räumlichkeiten gelangen die Besucher*innen in den Hauptraum der Ausstellung. Ich betrete den hellen, von vielen Lichtspots erleuchteten, türkis-grauen Untergrund, der sich in Richtung des größten und hell erleuchteten Werks La Sentinelle de Safran etwas abschüssig anfühlt. Plötzlich werden meine Knie ganz weich, meine Beine fühlen sich dennoch leicht an. Ich schwebe dem riesigen Sitzsack, der sich auf der Rückseite des großen Teppich-Tores befindet, entgegen. Angekommen, machen die Fischernetze, die die pigmentierten Acrylfasern umhüllen, das Werk erträglicher, da sie meine Lust, ins Werk zu springen, nehmen.

Katharina Hoffmann

Als ich den großen Raum des MAK, in dem die Kunstobjekte von Sheila Hicks ausgestellt sind, betrete, vergesse ich jegliches Gefühl für Raum. Hicks‘ Arbeiten sind durch Größe, Farbe und Material von einer ganz besonderen Aura umgeben, die mich sofort in ihren Bann zieht. Immer weiter entferne ich mich vom Eingang der Ausstellung. Durch meine Anwesenheit zwischen den Werken, die eigens für die Räume im MAK geschaffen wurden, fühle ich mich zugehörig. Das bloße Ansehen befriedigt mein Verlangen die Arbeiten anzufassen. La Sentinelle de Safran (2018) hat es mir besonders angetan: Der Berg aus gelben, roten und orangen Farben umgarnt mein Gemüt als taktile Visualisierung. Während ich den Berg aus Garn ansehe, berührt es mich auf wundersame Weise: Das Kunstobjekt kommuniziert mit mir, sodass ich mein Körpergefühl vergesse. Ich trenne mich nur schwer von La Sentinelle und gehe weiter. Hicks’ Talent ist in allen ausgestellten Objekten sichtbar. Immer wieder nähere ich mich und betrachte die Fadenführung. Die Ausführung ist bis zum letzten Knoten vollendet. Der Raum ist weich und diffus beleuchtet und verbreitet ein Gefühl des Wohlgefallens. Paradoxerweise ist trotz der Lichtstimmung jeder einzelne Faden klar erkennbar. Als Betrachterin kann ich entspannt die Kunstwerke auf mich wirken lassen. Noch Stunden nach dem Besuch der Ausstellung fühle ich die weichen Materialien der Kunstwerke an meiner Haut ohne sie berührt zu haben.

Jutta Pillen-Konetzka

In der Pandemie bin ich näher an den Materialien, an harten Steinen, in bröckeliger Gartenerde, unter fliessendem Wasser, an maserigem Holz.

Von Hamburg ist das MAK in Wien leider weit entfernt, trotzdem beamt mich die Videoführung der Kuratorin Bärbel Vischer direkt in die Ausstellung Garn, Bäume, Fluss von Sheila Hicks.

Der knapp zehnminütige digitale Erkundungsgang durch eine teilweise monumentale und großzügig bestückte Raumlandschaft beginnt zentral an einem großen, textilen Stein-Kissen-Hügel. Lange verweile ich dort mit Hilfe der Stopptaste; das Fluffige des Stoffes und die abgestimmte Varianz der gelb-orange-roten Farbtöne wirken beruhigend auf mich.

Die Kuratorin bewegt sich verhalten-performativ von Werkgruppe zu Werkgruppe weiter. Ihre kaum wahrnehmbaren Mikrobewegungen beim Annähern oder Vorbeigehen an den unterschiedlich großen Stoff- und Fadenwerken erregen meine Aufmerksamkeit. Ich versuche, die spezifische Sprache des zu Skulpturen gearbeiteten, textilen Materials an ihrem Körperausdruck abzulesen.

Ein Wasserfall aus verfilzten Strängen bringt mich trotz Laptop-Bildschirm zum Aufschauen. Was könnte ich dort zwischen den Seilen und Fäden, zwischen Naturmaterialien und Menschenhandwerk an universell Erfahrbarem entdecken?

Ich beobachte sich schlangenhaft windende, schwebende Filz-Gewächse und zurückhaltende, kleine Webstücke mit eingeflochtenen Bruchstücken. 

Wenn sich die Kamera von der Mikroperspektive der Fasern aus rückwärts in den Raum zur Monumentalität des Werkes heraus zoomt, entsteht ein Erleben, das mir organisch vorkommt, aber das mir im realen Raum beim Besuch der Ausstellung vermutlich nicht möglich wäre. Ich staune.

Textile Kunst-Installationen wirken manchmal kulissenhaft, erinnern an nomadische Situationen oder sind kulturell stark verknüpft. Hier ist es anders. Die Gesamt-Atmosphäre bleibt für mich offen-universell, geordnet in einzelnen Werken, archaisch; sie wehrt sich selbstbewußt störrisch gegen einen erzählerischen Durchfluss. 

Schließlich möchte ich gerne behaupten, wirklich in der Ausstellung gewesen zu sein, obwohl sie so fern ist. Welche Fasern reisen online? Auch Aladin hatte einen Teppich.

Fadime Gunsam

Im wievielten Lockdown befinden wir uns eigentlich? Ich habe aufgehört zu zählen und nutze meine Zeit viel lieber damit, mir die auf der MAK-Webseite online angebotene Ausstellung Garn, Bäume, Fluss anzusehen. In den Werken der Künstlerin Sheila Hicks sind in vielerlei Hinsicht Gegensätze miteinander verwoben. Gleich zu Beginn der Ausstellung werden weiche Materialien wie Garne, Natur- und Kunstfasern in unzähligen, gebündelten Strängen zu einer ca. 1,5 Meter hohen Skulptur verwoben. Der Werktitel Menhir ist eine aus dem Bretonischen entlehnte Bezeichnung für einen vorgeschichtlich, hochragenden Steinblock und könnte ein möglicher Verweis der Künstlerin auf das dargestellte Objekt sein. In einer weiteren Installation hängen aus knapp 6 Meter Höhe dicke, sich herunter schlingende Stränge von Garnen herab, die an Lianen erinnern.

Die überdimensionalen Arbeiten sind durch das Online-Format nur eingeschränkt wahrnehmbar. Ich wende mich daher den kleineren Webarbeiten zu. Vor allem wecken die Titel der Werke mein Interesse: Copper road, Approaching reality oder MLS in confinement heißen drei davon. Ich zoome nah genug heran und erkenne Naturmaterialien wie Zweige, getrocknete Maisschalen oder Muscheln, die in kunstvoller, handwerklicher Verarbeitung eingewebt wurden. Die entstandenen Fragmente sind wie kleine Teppiche, die in Farbe und Webart sehr unterschiedlich, manchmal bunt gestaltet sind und in einer schlichten Rahmung präsentiert werden. Sie erinnern mich an alte orientalische Teppiche, die bekanntlich in sich den Kosmos abbilden. In Sheila Hicks’ kleinen Teppich-Fragmenten sind nicht nur handwerklich verschiedene Naturmaterialien miteinander verwoben, auch optisch scheinen die bemerkenswerten Titel wie - Captured, Balanced dialogue, Cave of thoughts oder Overboard, in einigen Werken erkennbar zu sein. Beispielsweise scheinen in ihrem Werk Border Patrol die vielen vertikal und zueinander parallel eingewebten, dünnen Zweige einen Verweis auf die im Titel genannten Grenzen zu sein. Ich hätte die Ausstellung gerne noch in Natura gesehen.

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