Sarah Kobelhirt

Anna Höfling

Marlene Lahmer

Jutta Pillen-Konetzka

Adrian Praschl-Bichler

Arte: In Therapie

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Éric Toledano, Olivier Nakache, In Therapie, 2021-2022 Foto Credits: ARTE

Sarah Kobelhirt

Ich muss zugeben: Zuerst bin ich skeptisch. Eine französische Serie über Therapiesitzungen? Was soll denn hier spannend sein? Doch ich werde überrascht. Schon nach der ersten Folge entfaltet sich das Suchtpotential in mir. Ein sympathischer Therapeut und fünf Klient*innen, die unterschiedlicher nicht sein können. Eine Chirurgin, ein Polizist der Spezialeinheit, eine junge Sportschwimmerin und ein Ehepaar. Jede Sitzung läuft vor dem Hintergrund der vom IS begangenen Terroranschläge in Paris am 13. November 2015 ab. Es werden Einsichten in das Geschehen geboten, geschildert durch die mehr oder weniger direkt beteiligten Opfer. Den Zuschauer*innen soll aufgezeigt werden, wie sich dieses Ereignis auf das aktuelle Leben der Patient*innen und die Therapiesitzungen auswirkt. Einige Klient*innen ahnen den Einfluss dieses Anschlags auf ihre Psyche anfangs noch nicht, doch durch die wiederholten Therapieeinheiten werden ihnen die Folgen klar. Positiv überraschend ist, dass ein sechster Patient der Therapeut selbst ist. Auch er muss die Anschläge verarbeiten, ebenso wie die Sitzungen mit seinen Klient*innen selbst. 

Eine emotional aufwühlende Serie, die einen tiefen Einblick in das Leben von Menschen gibt, mit welchen ich mich selbst ein Stück weit identifizieren kann. Die Therapie der Charaktere wird bis zu einem gewissen Grad durch Projektion auch zur Eigenen, in der ich Probleme oder Eigenheiten an mir selbst besser zu erkennen vermag. Der Regisseur bietet eine Sichtweise auf ein vielleicht heute noch tabuisiertes Thema, ohne die diversen psychischen Traumata der Klient*innen zu kritisieren oder gar zu verharmlosen. 

Eine Serie, die definitiv Suchtpotential hat und die eigenen Ängste und alltäglichen Probleme aufnimmt, um sie uns anhand anderer Personen vor Augen zu führen. 

Anna Höfling

„Trauen Sie sich – lassen Sie los“, sind die ersten Worte des Therapeuten Philippe Dayan und ich sinke für meine Binge Watching-Session noch tiefer in meine Couch. Laut Wikipedia sagt man auf Deutsch angeblich Komaglotzen oder Serienmarathon, auch wenn ich beide Ausdrücke noch nie gehört habe. Es fühlt sich auch weder wie eine komplette Lähmung noch wie ein leistungsorientierter Wettlauf an – eher wie #selfcare. Dabei kann ich bei Serien schon schnell hineinkippen. Hohes Suchtpotential – eh schon wissen.

Auch die Serie In Therapie, die wie schon In Treatment eine Neuverfilmung von BeTipul ist, habe ich in wenigen Tagen komplett gesehen. Dabei ist es ziemlich irrelevant, ob sie tatsächlich gut ist. Sie trifft auf jeden Fall einen Nerv dieser Zeit, in der sehr viele Menschen unter psychischen Krankheiten leiden und in der gleichzeitig Therapie, mentale Gesundheit und deren Gegenteil immer häufiger thematisiert werden. Selbst in der Alltagssprache – zumindest gewisser Kreise – ist das zu erkennen: Etwas ist toxisch, was eine*n triggert und man muss Coping Mechanismen anwenden – wegen der eigenen Depression, Anxiety oder O.C.D. (Zwangsstörung). Fragil sind wir wegen den multiplen Traumata sowieso. Manchmal muss man auch einfach Boundaries festlegen. In der Populärkultur liefert der Begriff Selfcare neben seiner Funktion als Marketing-Gag leider häufig eine Ausrede für unachtsamen Egoismus. Nicht der Begriff ist das Problem, sondern teilweise der Gebrauch. Und weil wir ja alle so woke sind, betreiben wir diese Praxis nebenbei als feministischen Aktivismus??

Die Serie erinnert mich daran, wie interessant Sprache ist und was sie über uns aussagt. Laut dem Historiker Yuval Harari grenzt uns Menschen in erster Linie die Art, wie wir Sprache nutzen können, von anderen Lebewesen ab. In Therapie bohrt der Analytiker Dayan bei den Formulierungen seiner Klient*innen nach, die so allein mittels Worten lebendige Bilder malen. Aber nur, wenn sie sich darauf einlassen. 

Marlene Lahmer

Mütter und Liebhaberinnen

Ich kann nicht umhin, Philippe Dayan, den Psychiater und Psychoanalytiker, um den sich In Therapie dreht, als einfühlsam, behände, – wie es seine Patient*innen sagen – „kompetent“ wahrzunehmen. Trotzdem frage ich mich: Kann seine Psychoanalyse einem feministischen Anspruch gerecht werden? [1] 

Wenn Dayan beispielsweise vom ewig währenden Konflikt zwischen Mann und Frau oder von der phallischen Mutter spricht, sind das wenig innovative Diagnosen. Abgesehen davon, dass sie Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit voraussetzen, kommen mir die Begriffe abgegriffen vor. Ähnlich einfallslos warf zuletzt Vienna Blood, die Quotenhit-Krimiserie über einen Schüler Freuds in Wien um 1900, mit Psychoanalyse-Plattitüden um sich. Ich erinnere mich an das, was mir eine Freundin zu Beginn unseres Studiums an der Uni Wien gesagt hat: “In Wien kommen wir Freud nicht aus”. Und auch in der Arte-Serie entkommen wir ihm nicht. 

Ständig werden Dayans Patientinnen mit Zuschreibungen wie „Mutterfigur“ oder „Liebhaberin“ bedacht und ich wundere mich, ob Therapeut*innen sich im echten Leben auch so oft auf Freuds überholte Sexualtheorie beziehen, oder ob das nur im Fernsehen geschieht, um uns Zuschauer*innen bei unserem Allgemeinwissen abzuholen. Passend dazu sind die Geschichten von Dayan und seinen Patient*innen gespickt mit Dauerbrenner-Plots von Fremdgehen, Eifersucht und Bindungsangst. Trotzdem genieße ich die Therapiesitzungen, ihre Dramaturgie, wenn Dayan mit dosiertem Schweigen das Gegenüber zum Reden bewegt oder mit gezielten Fragen eine scheinbar selbstverständliche Annahme zum Einsturz bringt.

Fazit: Die Serie zeigt Dialoge großer Einfühlsamkeit und überzeugende zwischenmenschliche Intimität. Gerade deshalb ist es schade, dass sie die Chance vertut, thematisch neue Ufer zu betreten oder sich vom Sexismus der Freud’schen Psychoanalyse zu distanzieren. 

[1] Ob die Psychoanalyse, die in ihren Grundfesten von einer patriarchalen Weltanschauung geprägt ist, das generell kann, wird nach wie vor viel diskutiert, zum Beispiel anhand der Arbeit von Psychoanalytikerinnen wie Julia Kristeva, Luce Irigaray oder Melanie Klein.

Jutta Pillen-Konetzka

Zerdehnung, Verrückung und Zuspitzung sind Methoden der tiefenpsychologischen Therapie. In den Folgen der Serie In Therapie werden Szenen aus Therapiesitzungen des fiktiven Pariser Psychoanalytikers Philippe gespielt, die sich dehnen, die hin und her galoppieren, erstaunliche Kapriolen drehen, aggressive Widerstände demonstrieren. Wie im Zirkus tritt eine artistische Nummer des Unbewussten nach der anderen auf. Es wird dem/der Zuschauer/in intuitiv klar, dass Therapie mit Übertragungen und Gegenübertragungen gespickt ist und dass Verbindungen von menschlichem Erleben überzeitlich überall hinführen können. 

Poetisch und einladend schön skizziert das der Vorspann der Serie: Ein Faden spannt sich über vergilbende Erinnerungen. Reißt er oder reißt er nicht?

Nach den ersten 4 Folgen, die jeweils nur ca. 20-25 Minuten dauern, und die ich über drei Tage verteilt gucke, weiß ich nicht, wie ich mit der Serie weiter umgehen soll.

Beim Verfolgen der Szenen fesseln mich nicht die konkreten Dialoge, sondern meine eigenen Fragen drängen sich auf. Ich spinne an meinen eigenen Lebensfäden. 

Durch die schnellen Anstöße von seelischem Vor und Zurück, hin zur Geschichte der Serie und zurück in meine eigene Welt, gerate ich in eine diffus angestrengte Verfassung.

Die ganze Staffel hat 35 Folgen; mein Sohn kommt herein, während ich am TV sitze und sagt: „35 Folgen, das ist ja Folter!“

Aber ich möchte das Getriebe der Serie nicht einfach abbrechen. Nach Folge 7 entscheide ich mich zu springen. Ich gucke zwei sehr späte Folgen ohne etwas von dem Mittelteil der Serie gesehen zu haben. 

Es funktioniert für mich, denn die Serie wird durch mein Springen einfacher zu verfolgen. Da sind Schnitte und Lücken entstanden, wo ich konkret rätseln kann: “Was war da, um wen geht es, was ist passiert?” Das macht Spass und verwickelt mich nicht persönlich.

Vielleicht habe ich das eventuell vorhandene Selbstbehandlungs-Potential der Serie so geschickt “übersprungen”?

Adrian Praschl-Bichler

Sublimierung, Verdrängung, Introjektion oder etwa Übertragung – das alles sind Begrifflichkeiten der tiefenpsychologischen Therapieverfahren. Viele davon sind den Österreicher*innen durch den Neurologen und Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud geläufig. Als Student der – an der Universität Wien stark empirisch geprägten – Psychologie trete ich tiefenpsychologischen Verfahren naturgemäß teilweise skeptisch gegenüber.

Die französische Serie In Therapie zeigt den Psychoanalytiker Philippe Dayan bei seiner Arbeit mit insgesamt fünf Patient*innen. In Folge 1 bereits (Achtung Spoiler) gesteht die Ärztin Ariane ihrem Therapeuten, dass sie sich in ihn verliebt habe – wie klischeehaft. So unrealistisch und plakativ mir dieser Einstieg auch vorkommt, umso mehr begeistert mich dann, wie realitätsnah die Gespräche zwischen Therapeut und Patient*innen wirken. Einfühlsam, stressresistent und ruhig agiert Dayan zumeist in seinen Sitzungen, auch wenn  er heftigen Aggressionen ausgesetzt ist. Gerade die offene Betonung von psychoanalytischen Konzepten und Interpretationen erzeugt oft Unmut bei den Klient*innen und blockiert den Aufbau einer Bindung zwischen Behandelndem und Behandelten. Ich kann mir vorstellen, dass die Serie die Realität in dieser Hinsicht sehr gut abbildet. Niemand möchte in eine theoretische Schublade passen und allen Interpretationen Glauben schenken. Die Psychoanalyse kennt für dieses Zweifeln an den Interpretationen jedoch einen Begriff als Ausweg: Widerstand.

Vorbildlich betreibt Dayan auch regelmäßig selbst Psychohygiene und begibt sich zu einer befreundeten Psychoanalytikerin. Thema dieser Sitzungen ist zumeist sein Verlangen nach Ariane, das im Konflikt steht mit seiner Rolle als Therapeut, der Distanz wahren muss, sowie mit seiner Rolle als Ehemann. Dayan würde es vielleicht so formulieren: “Ein Kampf zwischen Es und Über-Ich”. Lange Zeit geißelt sich Dayan wegen seiner „Feigheit“, wie er den Gewinn seines Über-Ichs bezeichnet, ehe er doch versucht seinem Es freien Lauf zu lassen.

Sarah Kobelhirt

Ich muss zugeben: Zuerst bin ich skeptisch. Eine französische Serie über Therapiesitzungen? Was soll denn hier spannend sein? Doch ich werde überrascht. Schon nach der ersten Folge entfaltet sich das Suchtpotential in mir. Ein sympathischer Therapeut und fünf Klient*innen, die unterschiedlicher nicht sein können. Eine Chirurgin, ein Polizist der Spezialeinheit, eine junge Sportschwimmerin und ein Ehepaar. Jede Sitzung läuft vor dem Hintergrund der vom IS begangenen Terroranschläge in Paris am 13. November 2015 ab. Es werden Einsichten in das Geschehen geboten, geschildert durch die mehr oder weniger direkt beteiligten Opfer. Den Zuschauer*innen soll aufgezeigt werden, wie sich dieses Ereignis auf das aktuelle Leben der Patient*innen und die Therapiesitzungen auswirkt. Einige Klient*innen ahnen den Einfluss dieses Anschlags auf ihre Psyche anfangs noch nicht, doch durch die wiederholten Therapieeinheiten werden ihnen die Folgen klar. Positiv überraschend ist, dass ein sechster Patient der Therapeut selbst ist. Auch er muss die Anschläge verarbeiten, ebenso wie die Sitzungen mit seinen Klient*innen selbst. 

Eine emotional aufwühlende Serie, die einen tiefen Einblick in das Leben von Menschen gibt, mit welchen ich mich selbst ein Stück weit identifizieren kann. Die Therapie der Charaktere wird bis zu einem gewissen Grad durch Projektion auch zur Eigenen, in der ich Probleme oder Eigenheiten an mir selbst besser zu erkennen vermag. Der Regisseur bietet eine Sichtweise auf ein vielleicht heute noch tabuisiertes Thema, ohne die diversen psychischen Traumata der Klient*innen zu kritisieren oder gar zu verharmlosen. 

Eine Serie, die definitiv Suchtpotential hat und die eigenen Ängste und alltäglichen Probleme aufnimmt, um sie uns anhand anderer Personen vor Augen zu führen. 

Anna Höfling

„Trauen Sie sich – lassen Sie los“, sind die ersten Worte des Therapeuten Philippe Dayan und ich sinke für meine Binge Watching-Session noch tiefer in meine Couch. Laut Wikipedia sagt man auf Deutsch angeblich Komaglotzen oder Serienmarathon, auch wenn ich beide Ausdrücke noch nie gehört habe. Es fühlt sich auch weder wie eine komplette Lähmung noch wie ein leistungsorientierter Wettlauf an – eher wie #selfcare. Dabei kann ich bei Serien schon schnell hineinkippen. Hohes Suchtpotential – eh schon wissen.

Auch die Serie In Therapie, die wie schon In Treatment eine Neuverfilmung von BeTipul ist, habe ich in wenigen Tagen komplett gesehen. Dabei ist es ziemlich irrelevant, ob sie tatsächlich gut ist. Sie trifft auf jeden Fall einen Nerv dieser Zeit, in der sehr viele Menschen unter psychischen Krankheiten leiden und in der gleichzeitig Therapie, mentale Gesundheit und deren Gegenteil immer häufiger thematisiert werden. Selbst in der Alltagssprache – zumindest gewisser Kreise – ist das zu erkennen: Etwas ist toxisch, was eine*n triggert und man muss Coping Mechanismen anwenden – wegen der eigenen Depression, Anxiety oder O.C.D. (Zwangsstörung). Fragil sind wir wegen den multiplen Traumata sowieso. Manchmal muss man auch einfach Boundaries festlegen. In der Populärkultur liefert der Begriff Selfcare neben seiner Funktion als Marketing-Gag leider häufig eine Ausrede für unachtsamen Egoismus. Nicht der Begriff ist das Problem, sondern teilweise der Gebrauch. Und weil wir ja alle so woke sind, betreiben wir diese Praxis nebenbei als feministischen Aktivismus??

Die Serie erinnert mich daran, wie interessant Sprache ist und was sie über uns aussagt. Laut dem Historiker Yuval Harari grenzt uns Menschen in erster Linie die Art, wie wir Sprache nutzen können, von anderen Lebewesen ab. In Therapie bohrt der Analytiker Dayan bei den Formulierungen seiner Klient*innen nach, die so allein mittels Worten lebendige Bilder malen. Aber nur, wenn sie sich darauf einlassen. 

Marlene Lahmer

Mütter und Liebhaberinnen

Ich kann nicht umhin, Philippe Dayan, den Psychiater und Psychoanalytiker, um den sich In Therapie dreht, als einfühlsam, behände, – wie es seine Patient*innen sagen – „kompetent“ wahrzunehmen. Trotzdem frage ich mich: Kann seine Psychoanalyse einem feministischen Anspruch gerecht werden? [1] 

Wenn Dayan beispielsweise vom ewig währenden Konflikt zwischen Mann und Frau oder von der phallischen Mutter spricht, sind das wenig innovative Diagnosen. Abgesehen davon, dass sie Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit voraussetzen, kommen mir die Begriffe abgegriffen vor. Ähnlich einfallslos warf zuletzt Vienna Blood, die Quotenhit-Krimiserie über einen Schüler Freuds in Wien um 1900, mit Psychoanalyse-Plattitüden um sich. Ich erinnere mich an das, was mir eine Freundin zu Beginn unseres Studiums an der Uni Wien gesagt hat: “In Wien kommen wir Freud nicht aus”. Und auch in der Arte-Serie entkommen wir ihm nicht. 

Ständig werden Dayans Patientinnen mit Zuschreibungen wie „Mutterfigur“ oder „Liebhaberin“ bedacht und ich wundere mich, ob Therapeut*innen sich im echten Leben auch so oft auf Freuds überholte Sexualtheorie beziehen, oder ob das nur im Fernsehen geschieht, um uns Zuschauer*innen bei unserem Allgemeinwissen abzuholen. Passend dazu sind die Geschichten von Dayan und seinen Patient*innen gespickt mit Dauerbrenner-Plots von Fremdgehen, Eifersucht und Bindungsangst. Trotzdem genieße ich die Therapiesitzungen, ihre Dramaturgie, wenn Dayan mit dosiertem Schweigen das Gegenüber zum Reden bewegt oder mit gezielten Fragen eine scheinbar selbstverständliche Annahme zum Einsturz bringt.

Fazit: Die Serie zeigt Dialoge großer Einfühlsamkeit und überzeugende zwischenmenschliche Intimität. Gerade deshalb ist es schade, dass sie die Chance vertut, thematisch neue Ufer zu betreten oder sich vom Sexismus der Freud’schen Psychoanalyse zu distanzieren. 

[1] Ob die Psychoanalyse, die in ihren Grundfesten von einer patriarchalen Weltanschauung geprägt ist, das generell kann, wird nach wie vor viel diskutiert, zum Beispiel anhand der Arbeit von Psychoanalytikerinnen wie Julia Kristeva, Luce Irigaray oder Melanie Klein.

Jutta Pillen-Konetzka

Zerdehnung, Verrückung und Zuspitzung sind Methoden der tiefenpsychologischen Therapie. In den Folgen der Serie In Therapie werden Szenen aus Therapiesitzungen des fiktiven Pariser Psychoanalytikers Philippe gespielt, die sich dehnen, die hin und her galoppieren, erstaunliche Kapriolen drehen, aggressive Widerstände demonstrieren. Wie im Zirkus tritt eine artistische Nummer des Unbewussten nach der anderen auf. Es wird dem/der Zuschauer/in intuitiv klar, dass Therapie mit Übertragungen und Gegenübertragungen gespickt ist und dass Verbindungen von menschlichem Erleben überzeitlich überall hinführen können. 

Poetisch und einladend schön skizziert das der Vorspann der Serie: Ein Faden spannt sich über vergilbende Erinnerungen. Reißt er oder reißt er nicht?

Nach den ersten 4 Folgen, die jeweils nur ca. 20-25 Minuten dauern, und die ich über drei Tage verteilt gucke, weiß ich nicht, wie ich mit der Serie weiter umgehen soll.

Beim Verfolgen der Szenen fesseln mich nicht die konkreten Dialoge, sondern meine eigenen Fragen drängen sich auf. Ich spinne an meinen eigenen Lebensfäden. 

Durch die schnellen Anstöße von seelischem Vor und Zurück, hin zur Geschichte der Serie und zurück in meine eigene Welt, gerate ich in eine diffus angestrengte Verfassung.

Die ganze Staffel hat 35 Folgen; mein Sohn kommt herein, während ich am TV sitze und sagt: „35 Folgen, das ist ja Folter!“

Aber ich möchte das Getriebe der Serie nicht einfach abbrechen. Nach Folge 7 entscheide ich mich zu springen. Ich gucke zwei sehr späte Folgen ohne etwas von dem Mittelteil der Serie gesehen zu haben. 

Es funktioniert für mich, denn die Serie wird durch mein Springen einfacher zu verfolgen. Da sind Schnitte und Lücken entstanden, wo ich konkret rätseln kann: “Was war da, um wen geht es, was ist passiert?” Das macht Spass und verwickelt mich nicht persönlich.

Vielleicht habe ich das eventuell vorhandene Selbstbehandlungs-Potential der Serie so geschickt “übersprungen”?

Adrian Praschl-Bichler

Sublimierung, Verdrängung, Introjektion oder etwa Übertragung – das alles sind Begrifflichkeiten der tiefenpsychologischen Therapieverfahren. Viele davon sind den Österreicher*innen durch den Neurologen und Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud geläufig. Als Student der – an der Universität Wien stark empirisch geprägten – Psychologie trete ich tiefenpsychologischen Verfahren naturgemäß teilweise skeptisch gegenüber.

Die französische Serie In Therapie zeigt den Psychoanalytiker Philippe Dayan bei seiner Arbeit mit insgesamt fünf Patient*innen. In Folge 1 bereits (Achtung Spoiler) gesteht die Ärztin Ariane ihrem Therapeuten, dass sie sich in ihn verliebt habe – wie klischeehaft. So unrealistisch und plakativ mir dieser Einstieg auch vorkommt, umso mehr begeistert mich dann, wie realitätsnah die Gespräche zwischen Therapeut und Patient*innen wirken. Einfühlsam, stressresistent und ruhig agiert Dayan zumeist in seinen Sitzungen, auch wenn  er heftigen Aggressionen ausgesetzt ist. Gerade die offene Betonung von psychoanalytischen Konzepten und Interpretationen erzeugt oft Unmut bei den Klient*innen und blockiert den Aufbau einer Bindung zwischen Behandelndem und Behandelten. Ich kann mir vorstellen, dass die Serie die Realität in dieser Hinsicht sehr gut abbildet. Niemand möchte in eine theoretische Schublade passen und allen Interpretationen Glauben schenken. Die Psychoanalyse kennt für dieses Zweifeln an den Interpretationen jedoch einen Begriff als Ausweg: Widerstand.

Vorbildlich betreibt Dayan auch regelmäßig selbst Psychohygiene und begibt sich zu einer befreundeten Psychoanalytikerin. Thema dieser Sitzungen ist zumeist sein Verlangen nach Ariane, das im Konflikt steht mit seiner Rolle als Therapeut, der Distanz wahren muss, sowie mit seiner Rolle als Ehemann. Dayan würde es vielleicht so formulieren: “Ein Kampf zwischen Es und Über-Ich”. Lange Zeit geißelt sich Dayan wegen seiner „Feigheit“, wie er den Gewinn seines Über-Ichs bezeichnet, ehe er doch versucht seinem Es freien Lauf zu lassen.

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